Alptraum: New York Airport (Teil I)


8 Stunden und 40 Minuten hat es gedauert, um den "großen Teich" zu
überqueren.Mir persönlich kam es vor, als habe ich eine Woche im
Flugzeug gesessen.Schon nach rund 3 Stunden ist mir die Lust am
lesen,Musik hören, einfach an allem, vergangen. Die restlichen
knappen 6 Stunden entpuppten sich als sehr zäh und langweilig.
Als mein Flieger landet,schau ich auf die Uhr: fast eine Stunde
Verspätung.Das heißt für mich,dass ich nur noch 3 anstatt 4 Stunden
zur Verfügung habe,um meinen weiterführenden Flug nach Boston zu kriegen.

Der Weg zum baggage claim,also dem Band,auf dem das Gepäck
seine Runden dreht,gestaltet sich als unglaublich lang. Nach guten
8 Minuten Marsch, bin ich da.Es dauert nicht lange und ich kann meine
Koffer entgegennehmen.Welch ein Glück, denke ich mir. Mir rennt die
Zeit doch davon.Nur noch gute 150 Minuten,die mir verbleiben,meinen
zweiten Flug zu erwischen.Die Hitze in New York treibt mich in den
Wahnsinn. Die rund 60kg erleichtern mein Vorhaben,so wenig wie
möglich zu schwitzen, nicht wirklich.Als ich total erschöpft an denn
Schaltern für die Einreise antreffe, trifft mich der Schlag !über 25
Schalter sind für "Visitors", also Besucher geöffnet und nichts desto
trotz steht vor mir eine Schlange, die mindestens 2 Fußballfelder lang
ist.Ich werfe einen Blick auf die Uhr: Mir bleiben ca. 2,5 Stunden.
Nach fast einer Stunde in der Schlange,erreiche ich endlich einen der
vielen Schalter.Ich hatte gehofft,dass ich bei einer Frau vorsprechen
darf,weil ich mir damit insgeheim eine leichtere Einreise erhofft
hab,doch es kam ganz anders ...
Mein Schalter,war die Nummer 1. Als ich dort ankomme, sitzt
ein gelangweilter,höchst unmotivierter Beamter vor mir,in voller
Montur.Seine Kleidung gleicht der eines Polizisten.Eine Waffe,wie
anderesZeug trägt er ebenso an sich. Aus irgendeinem Grund, hatte
ich das Gefühl,dass es irgendwie nicht "leicht" sein wird.
Ich sollte Recht behalten ...
Noch nie zuvor war ich in den Staaten,dementsprechend bin ich
verunsichert.Ich weiß nicht so recht,was ich sagen oder machen
soll,da der Mann mit gelangweilter Miene mich nur anstarrt, ohne
etwas zu sagen.Völlig aus dem Konzept gebracht, lege ich meinen
Reisepass mit meinem Visum auf den Tisch.Er nimmt ihn
entgegen, tippt etwas in den Computer ein und fragt mich dann ganz
lässig ,wie lange mein Aufenthalt in den Staaten sein soll. Ich sage
Ihm,dass es 12 Monate seien werden,da ich für ein Jahr als
Volunteer,als ein Freiwilliger also, komme.
Er schaut mich an und wiederholt :"12 Monate?
Das ist nicht möglich.Wir vergeben nie 12 Monate am Stück, nur 6."
Ich bin total verwirrt. Wie ist das denn möglich ? Ich hab ein
Visum,dass für 10 Jahre gültig ist,sowie eine Einladung von meiner
Einsatzstelle,die mich für 12 Monate beruft. Ich will Ihm gerade
versuchen zu erklären,was ich vorhab und warum es 12 Monate
sind, da steht er einfach auf und geht zu einem Kollegen, um Ihn
etwas zu fragen. Ich merke,wie sich langsam ein Dutzend Blicke an
meinen Rücken heften.Als der Beamte zurückkommt,setzt er sich in
den Stuhl,dreht sich in meine Richtung,nimmt einen Kugelschreiber
vom Schreibtisch,richtet ihn auf mich und fragt:
"Also was hast du vor?"
Ich erkläre Ihm die gesamte Situation,doch er scheint kein bisschen
davon überzeugt.Zugehört hat er mir wahrscheinlich auch nicht
wirklich,denn er unterbricht mich mitten im Satz und fragt :
"Wirst du in den USA arbeiten?"
Ich beginne Ihm also erneut zu erklären,dass
ich als Freiwilliger für ein Jahr in einer Einrichtung für Menschen mit
Behinderung arbeiten werde. Mittlerweile ist eine halbe Stunde
vergangen und mir sind die Argumente ausgegangen.
Ich sehe nur,wie die anderen an mir nach nur wenigen Minuten passieren können, ohneweitere Probleme.
Enttäuschung,Angst,Frust und große Verzweiflung,zwingen mich zum letzen Schachzug. Ich setz alles auf
eine Karte: Ich greife in meine Laptoptasche,hole alle Papiere hervor,
die ich von meiner Einsatzstelle zugesandt bekommen hab, und lege
sie Ihm mit den Worten "Schauen Sie selber durch, ich bin offiziell
Eingeladen" auf seinen Tisch. Er wirft einen kurzen Blick auf die
Papiere,ohne wirklich großen Wert darauf zu legen, und steht danach
erneut auf und geht, ohne etwas zu sagen.Ich höre,wie er mit einem
Kollegen über mich diskutiert. Vor lauter Stress,Angst und totaler
Erschöpfung beginnt plötzlich meine Nase an zu bluten.
Was zum Teufel ist hier los ? Gezwungenermaßen stopfe ich mir
ein kleines Stück Taschentuch in meinen rechten Nasenflügel,damit
die Blutung unterbunden wird. Da steh ich nun, mit einem Stück
Papier in der Nase,in New York, am Einreiseschalter und alle
starren mich an. Super Paul.
Als er zurückkehrt,stellt er einen kleinen Kasten in meine Richtung
und sagt,dass er die Fingerabdrücke von allen Fingern brauch.
Gesagt,getan.
Danach folgte noch ein Scan von meinem Auge.
Was kommt denn jetzt,denke ich verwundert ?
Nach genau 45 Minuten höre ich das wohl unglaublichste aus seinem
Mund.Ich zitiere:
"Also eigentlich vergeben wir keine Aufenthaltsgenehmigung für
12 Monate am Stück.Dir gebe ich die 12 Monate jetzt
ausnahmsweise, weil du so viele Papiere mit dir führst.Gott segne
dich.Pass auf dich auf,bye" . Er zeigt mir den Daumen und lächelt
mich an.Meine Verwunderung über diese plötzliche
Wende war so groß,dass ich erst stehen geblieben bin, und nicht
richtig verstanden habe,dass ich durchgehen darf.Daraufhin nimmt
er nochmals meinen Reisepass in die Hand,zeigt mir ,dass ich bis
zum 30. Juni 2009 bleiben darf und sagt darauf hin:" An diesem
Tag musst du spätestens Ausreisen,sonst gibt es Ärger,verstanden?"
Ich pack so schnell wie möglich alles zusammen,quetsch die Papiere
in meine Tasche,stammel ein patriotisches "God bless you" und laufe los.

Wohin muss ich eigentlich ?

[Fortsetzung folgt]

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